Für Euch
Liebe Leserinnen und Leser,
welcher Gegenstand auf der Welt kann gleichzeitig ein Heftpflaster und eine einsame Insel sein? Ein Buch natürlich.
Bücher können uns weiter tragen als jedes Flugzeug. Bücher können uns alles vergessen lassen. Bücher können helfen. Bücher können trösten. Bücher lassen uns wachsen, lehren uns, zu sehen, zu verstehen. Oder bringen uns zum Lachen.
Raphaela ist Buchhändlerin in Wanne Eickel, in einer alteingesessenen Buchhandlung. Sie schrieb mir vor einiger Zeit in ihrem Eintrag in mein Gästebuch, daß meine Geschichten eigentlich in jede literarische Hausapotheke gehörten. Ich hab mich darüber gefreut bis in die letzte Zehenspitze. An dieser Stelle nochmal ein ganz großes Dankeschön, Raphaela.
Ich höre oft von Ihnen, meine lieben Leserinnen, daß Sie durch meine Geschichten ermutigt oder getröstet wurden, daß Sie darin die Botschaft gelesen haben, nie aufzugeben. Ich danke Ihnen allen sehr für diese Rückmeldungen, die mir so wichtig sind.
Verstehen Sie mich bitte richtig. Ich schreibe keine Ratgeber, ich denke beim Schreiben ausschließlich an die (und in den) Figuren, die da zwei oder sogar drei Jahre lang um mich herumschwirren.
Ich schreibe nicht über Mord und Totschlag. Das Böse oder Destruktive fasziniert mich nicht an sich, mich interessiert, wie man es überwindet.
Und ich schreibe auch nicht über das Scheitern, jedenfalls nicht über ein finales Scheitern. Das kann ich einfach nicht! Wenn mein Held depressiv ist, kriegt er einen Wegweiser aufgestellt, auf dem steht, wo die nächste und übernächste Ausfahrt ist, und nicht, wo die nächste hohe Brücke steht.
Und sollte er alle zwei Ausfahrten verpassen, wird neu verhandelt. Das ist mir so wichtig!
Okay, okay. Aus dramaturgischen Gründen lasse ich ihn auch mal an einem Brückengeländer stehen, aber nur, weil an diesem Tag jemand ausnahmsweise über diese Brücke gehen muss, weil sein Auto kaputt ist. Und dieser Jemand kommt bevor mein Held aufs Geländer steigt, um die traurigste Abkürzung zu nehmen, die aus Problemland heraus führt. Aufgeben ist einfach nicht mein Thema.
Sie verstehen schon, was ich meine. Es geht nicht darum, über alles eine rosa Soße zu kippen. Das Leben ist nicht berechenbar. Wenn wir Leid erfahren, dann ist es nun mal so. Wir wissen, daß es zum Leben dazu gehört, unausweichlich. Manchmal ist es so schlimm, daß man nicht mehr weiter weiß. Oder will.
Dann geht es - immer wieder! - darum, zu sehen, daß es alles andere auch gibt - und daß es zusammengehört. Und daß sich alles ändert. Immer wieder und immer wieder.
Das Schöne geht vorbei. Das Schreckliche aber auch. Es ist einfach so. Banaler geht's nicht, ich weiß. Aber dieses Wissen ist so einfach wie universal.
Irgendwann einmal, nach einer Lesung im Bergischen Land, kam eine Frau auf mich zu. Sie war klein, mollig, unauffällig gekleidet. Sie räusperte sich, schaute auf den Boden, dann aufs Bücherregal, dann auf ihre Hände und meinte halblaut: „Ich bin heute seit der Trennung von meinem Mann zum ersten mal allein ausgegangen. Hierher.“ Dann blickte sie mich auf einmal sehr direkt an. „Als die Frauen hier eben an den lustigen Stellen gelacht haben, konnte ich nicht lachen, da ist mir leider nicht nach. Aber an einer anderen Stelle fiel mir plötzlich auf: die Leute in Ihren Romanen, die stehen immer wieder auf. Und da dachte ich, ich krieg das auch nochmal hin“, sagte sie.
Es wäre jetzt nicht besonders aufrichtig, wenn ich sagen würde: „Sehen Sie, und deshalb schreibe ich so.“
Ich schreibe so, weil ich es nicht anders kann. Was wiederum mit meiner eigenen Geschichte zu tun hat. Aber wenn es solche Auswirkungen auf meine Leserinnen hat, dann macht mich das sehr froh.