Vita

Christine VogeleyObwohl meine Vorfahren aus Frankreich, Polen und Belgien stammen, bin ich rheinisch sozialisiert, weil ich 1953 im Epizentrum des rheinischen Karnevals und des Katholizismus geboren wurde.

Dinge, die heute als retro oder schrill gelten, habe ich noch als normale Alltagsmöblierung  kennengelernt. Tütenlampen, Nierentische, Alpenveilchen in braunschlierigen Keramikübertöpfen, Wasserwelle beim Frisör und die Livestimme von Konrad Adenauer aus dem Radio.

Die alten Leute im Dorf sprachen sich, wenn sie sich siezten, mit „Ihr“ an, („Künnt Ihr mir sare, wie spät dat et ess?“) was ich damals schon hochinteressant fand, und ich sammelte Wörter wie „Quallmänncher“, „Fisternöllsche“ oder „Prummetaat“, so wie andere Kinder Fußballbildchen. Meine Schulbildung verpasste man mir in einem veritablen Kloster am Rheinufer.

Mit meiner Abiturnote bekäme ich heute keinen Studienplatz mehr, das ist wahrscheinlich das Einzige, was ich mit dem Genie Albert Einstein gemeinsam habe.

Ich habe an dieser Klosterschule eine Menge gelernt. Englisch, Latein, Rolle rückwärts und alles über Chlorophyll und Albert Camus. Ich habe gelernt, was echte Güte ist und was kalte Boshaftigkeit, wie sich Freundschaft anfühlt und Verrat und wie man Knopflöcher näht und Hohlsaum. Es gab für mich dort zwei Lichtgestalten, meinen Englischlehrer und meine Lateinlehrerin, die auch eine hervorragende Geschichtslehrerin war. Ihnen bin ich heute noch zutiefst dankbar. Oh ja, Lehrer können Leuchttürme sein!

Trotzdem habe ich dann nicht Englisch und Geschichte studiert, sondern Kunst und Romanistik und habe überhaupt noch sehr viele Dinge ausprobiert.

Sie hatten fast alle mit Sprache und Stimme zu tun, aber auch mit Kindern, mit Musik und mit Bühne.

Das ist bis heute so geblieben. Das Rheinland habe ich verlassen, lebe in Berlin und bin verheiratet. Mit meinem Mann und mit dem Schreiben.